Studiotaugliche Klangzwerge
Test Aktivlautsprecher Neumann KH 80 DSP
Rückblende
Während meinem Volontariat im Radiostudio Bern in meiner Studentenzeit imponierten mir u.a. die in allen Abhörräumen montierten Lautsprecher von Klein+Hummel. Damals galt: Fürs Schweizer Radio ist nur das Beste gut genug. Und wenn ich an Studioaufnahmen teilnehmen durfte (als Assistent oder als Musiker), war es immer ein feierlicher Moment, wenn der Tonmeister den sicherheitsverschlossenen Schrank öffnete und die Neumann-Mikrofone in der Regie ausbreitete, bevor er sie im Studio an die riesigen Galgen montierte.
Mittlerweile gehören sowohl Klein+Hummel als auch Neumann zur Sennheisergruppe und seit 2010 werden die Studiomonitore von Klein+Hummel sowie deren Weiterentwicklung unter dem Namen Neumann angeboten, nur das KH in der Typenbezeichnung erinnert noch an alte Zeiten.
Erster Eindruck
Bei aktiven Studiomonitoren erwartet man eine gewisse Grösse und vor allem ein gewisses Gewicht. Als mir der Pöstler das Paket übergab, dachte ich zuerst an eine Teillieferung. Doch die Lieferung war komplett, die zwei Böxchen wesentlich kleiner und leichter, als ich erwartet hatte.
Auch anschlussmässig hatte ich eigentlich anderes erwartet. Nur von unten sichtbar sind die drei Buchsen: links Netzbuchse (2-polig), Mitte Netzschalter und Netzwerkbuchse, rechts Audioeingang-Combibuchse (symmetrische XLR/Klinke).
Die KH 80 ist also eindeutig für den professionellen analogen Audioeinsatz konzipiert worden, also z.B. in Verbindung mit einem Mischpult: keine USB- oder digitalen Audioeingänge.
Wer die KH 80 also als Wiedergabegerät für seine auf der Festplatte gespeicherte HiRes-Musik optimal benützen will, benötigt einen hochwertigen, externen USB-DA-Wandler mit vorzugsweise symmetrischen Ausgängen wie zum Beispiel den Teac 501 oder sollte unmittelbar nach den Wandlerausgängen Symmetrieradapter und ein gutes XLR-Kabel verwenden, um Brummeinstreuungen vorzubeugen.
Spartanische Ausstattung
Der Lieferumfang ist eher spartanisch: Neben der Lautsprecherbox erhält man ein Netzkabel, 4 selbstklebende Füsschen, einen Sicherheitsleitfaden in 12 Sprachen und ein beidseitig bedrucktes A4-Blatt "Getting Started Quickly", das die wichtigsten Informationen zur Platzierung der KH 80 aufzeigt.
Doch welches sind die optimalen Einstellungen, die man auf der Rückseite der KH 80 vornehmen kann? Die 15-seitige Bedienungsanleitung kann man sich als PDF-Datei bei Neumann herunterladen, doch den Link dazu muss man selber finden. Meiner Meinung nach sollte ein so dünnes Manual in gedruckter Form beiliegen.
Konstruktion
Wenn man von Kunststoffkonstruktion spricht, ist dies normalerweise nicht eben ein Kompliment, erwarten wir doch bei Lautsprechern eher edle Holzgehäuse. Doch Kunststoffe haben enorme Vorteile. Die KH 80 ist voll und ganz aus lackiertem Polycarbonat-Verbundwerkstoff hergestellt, was Resonanzen am Gehäuse wirkungsvoll verhindert und so eine trockene, impulstreue Basswiedergabe ermöglicht.
Beide Lautsprecher verfügen über ein integriertes Metallgitter, das die Membran vor mechanischer Beschädigung schützt. Der Tieftöner hat gerade mal einen Durchmesser von 100 mm, als Hochtöner fungiert eine 25-mm-Kalotte. Bei einer Gehäusegrösse von lediglich 23 x 15 x 20 cm und einem Gewicht von nur 3,5 kg inklusive der Verstärkereinheit gestatte ich mir den Ausdruck "Zwerg".
Höreindruck
Wenn der erste Eindruck meine Vorfreude eher etwas gedämpft hatte, war ich völlig gespannt auf das Hörerlebnis mit den KH 80: Konnten diese Zwerge wirklich das liefern, was allgemein von Neumann/K+H-Boxen erwartet wird?
Wie immer fütterte ich die Testobjekte mit den unterschiedlichsten Musikstilen und hörte in verschiedenen Lautstärken ab. Natürlich hatte ich viel erwartet … und meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht: Die einzelnen Instrumente werden von den KH 80 sauber und echt abgebildet und klar im (virtuellen) Raum platziert. In vielen Fällen war es vor allem die Räumlichkeit, die das Stereobild nicht als links und rechts definierte, sondern auch bei Aufnahmen, die ich gut zu kennen glaubte, neue, aber glaubwürdige Raumdimensionen schaffte.
Vor allem überraschte mich, dass so kleine Boxen Kontrabasslinien zum Beispiel von Ray Brown dermassen überzeugend reproduzieren können.
Und dann kam ich zu meinem Paradestück, dem "Hotel California" auf dem Eagles-Album "Hell Freezing Over". Bei dieser Aufnahme werden die Grenzen des physikalisch Machbaren am ehesten aufgezeigt: Die Pauke-Conga-Kombination nach dem Intro, die ich mit meinen Referenzboxen nicht nur höre, sondern auch spüre, wurden zwar sauber wiedergegeben, aber das Flattern in der Bauchgegend fehlte, wurde erst ab einer relativ hohen Gesamtlautstärke angedeutet. Wer also Bässe gerne fühlt, sollte sich die Anschaffung eines Subwoofers überlegen.
Neumann.Control-Software
Setup, Einmessung und Bedienung sowie viele weitere Einstellungen können nur über die Neumann.Control-Software vorgenommen werden. Z.B. ist die Standby-Zeit (die Zeit, bis die Box in den Standby geht) auf 90 Minuten voreingestellt. Diese Zeitspanne kann nur über die Software verändert werden, ebenso die Helligkeit des Neumann-Logos auf der Frontplatte, das auch als Zustandsindikator dient.
Originalton Neumann: "Eine Netzwerkschnittstelle ermöglicht die Steuerung des Monitorsystems über ein Standard-IP-Netzwerk mit der Software Neumann.Control (für PC/Mac oder Android-/iOS-Tablets). Dadurch ist der Lautsprecher unter vielfältigen akustischen Bedingungen, mit beliebigen Signalquellen und an nahezu allen Orten einsetzbar."
Diese Funktionen konnte ich jedoch nicht testen, da die Verfügbarkeit der Neumann.Control-Software erst für September 2017 erwartet wird.
Für wen?
Nochmals Originalton Neumann: "Der KH 80 DSP kann als Nahfeldmonitor, als vorderer Lautsprecher in kleinen Mehrkanalsystemen oder als hinterer Lautsprecher in kompakten Mehrkanalsystemen verwendet werden. Er ist in Projekt-, Musik- und Rundfunkstudios, Übertragungswagen und Postproduction-Studios für Mehrspuraufnahmen, Abmischungen und Mastering einsetzbar. Darüber hinaus eignet er sich auch für den Einsatz im häuslichen Bereich."
Die begrenzten Anschlussmöglichkeiten machen klar, dass der Einsatz für Anwendungen gedacht ist, bei denen symmetrische Verbindungen die Norm sind. Doch in den mir bekannten "häuslichen Bereichen" ist dies kaum mehr der Fall. Die meisten Homerecorder in meinem Umfeld verwenden Mischpulte vor allem noch wegen der guten Mikrofonvorverstärker. Sind Instrumente und Stimmen erst mal im Rechner, wird alles weitere am Bildschirm erledigt. Und meist sind die analogen Audioausgänge der Rechner echte Schwachstellen, die digitalen dagegen ideal und USB mehr und mehr die Norm.
Die klare, frequenzmässig gradlinige und räumliche Klangwiedergabe der KH 80 sowie ihr erschwinglicher Preis wären also gerade für Homerecording hervorragend. Und ausgerüstet mit digitalen Audioeingängen und/oder USB-Inputs gepaart mit hervorragenden D/A-Wandlern stünden die KH 80 DSP meiner Ansicht nach bald auf der Wunschliste von tausenden von Heimstudios und HiDef-Musik liebenden Laptopbesitzern.
Fazit
Klanglich sind die KH 80 DSP von Neumann spitze, auch wenn ich für Liebhaber von "fühlbarem Bass" einen zusätzlichen Subwoofer empfehlen würde. Für sämtliche Anwendungen, in denen eine optimale, saubere Klangwiedergabe Bedingung ist (wie in den oben erwähnten Studioumgebungen), bieten sie nicht nur hervorragenden Sound, sondern bei einem Einzelpreis von klar unter 600 Franken auch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Mit der für September 2017 erwarteten Software, die zusätzliche Anpassungen ermöglichen wird, dürften die KH 80 DSP (zumindest für eine gewisse Zeit) "konkurrenzlos" sein.
Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis
Durchdachte, vielseitige Ausstattung
Hochwertige Verarbeitung
Inputvarianten beschränkt
Onlinelink:
http://www.avguide.ch/testbericht/studiotaugliche-klangzwerge-test-aktivlautsprecher-neumann-kh-80-dsp